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Interview mit Lisa Kötter – Mitgründerin von Maria 2.0

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Autorin des Buchs: „Entmachtet die Kirche und gebt sie den Menschen zurück“

geführt am 26.09.22 von Maria 2.0 Soest

Maria 2.0: Die Mehrheit der deutschen Bischöfe will nach den Worten ihres Konferenzvorsitzenden Georg Bätzing Reformen. Und er sagt: „Wir dürfen uns nicht durch die aufhalten lassen, die einfach alles blockieren.“ Die Ablehnung von Reformen „stimmt einfach nicht überein mit der Wahrnehmung des Gottesvolkes und auch den demografischen Tendenzen, die wir ja auch wahrnehmen. Insofern: Wir müssen miteinander reden.“ 1)
Frau Kötter, welche Signale erwarten Sie von der Herbst-Vollversammlung der Bischöfe?

Lisa Kötter: Es interessiert mich nur in der Peripherie. Wir hören diese wohlgemeinten und wohlgesetzten Worte von Herrn Bätzing schon seit Jahren und sehen, was dann bei den Konferenzen herauskommt. Die Bischofskonferenz wird sich vermutlich dieses Jahr mit Herrn Ackermann, dem Synodalen Weg und der Sperrminorität beschäftigen. Ich erwarte von dieser Bischofskonferenz überhaupt nichts mehr.

Maria 2.0: Rund 100 Vertreter von mehr als 30 Initiativen und Verbänden haben ihren Ruf nach Reformen in der katholischen Kirche bekräftigt. Bei der „Kirchenvolkskonferenz“ in Köln stellten sie sich hinter Reformprozesse wie den Synodalen Weg zur Zukunft der Kirche in Deutschland. Im Rahmen der bis Sonntag dauernden Veranstaltung unter dem Motto „Wir gehen schon mal voran – für eine synodale Kirche der Zukunft“ soll auch eine gemeinsame Erklärung verabschiedet werden. 2)
Frau Kötter: Welche Botschaften gehen von der Kirchenvolkskonferenz in Köln aus?

Lisa Kötter: Ich war nicht dabei, aber ich weiß, dass es wieder die gleichen Botschaften sind: Es braucht Veränderung in den bekannten Themen. Es haben sich Menschen auf der Kirchenvolkskonferenz zusammengefunden, die zum Teil seit Jahrzehnten Reformen fordern und trotz großer Frustration weiter gemacht haben. Ich bewundere das wirklich. Ich plädiere dafür, dass wir aufhören müssen, dem hohen Klerus beweisen zu müssen, dass wir Recht haben. „Wir gehen schon mal voran“ müsste wörtlich genommen werden und nicht mehr auf die Bischöfe gewartet werden.

Maria 2.0: Die Bewegung „Maria 2.0“ hat das Kölner Erzbischöfliche Generalvikariat symbolisch abgesperrt. Das Hauptportal des Gebäudes in der Marzellenstraße wurde mit rot-weißem Absperrband und einem Banner mit der Aufschrift „Generalvikariat Köln/GESCHLOSSEN/Moralischer Bankrott“ versehen. 3)
Frau Kötter: Ist das eine neue Form des Protestes oder gibt es noch andere Beispiele?

Lisa Kötter: Das ist keine neue Form, da Maria 2.0 damit angefangen hat, zu sagen, es ist genug geredet. Alle Argumente liegen auf dem Tisch. Alle Entlarvung liegt auf dem Tisch. Worum es geht, ist, dass wir Bilder finden für das, was ist und für das, was wir fordern. So hat Maria 2.0 angefangen und sollte Maria 2.0 auch weitermachen. Maria 2.0 ist eine Graswurzelbewegung und sie kann in ganz unterschiedlichen Erscheinungsformen ihren Protest äußern: ob sie Thesen an die Tür nagelt oder symbolisch Generalvikariate absperrt oder Gottesdienste vor den Türen feiert, um zu zeigen, dass wir von jeder Entscheidung ausgeschlossen sind. Es ist wichtig, diese Bilder zu schaffen und ich bin froh, dass gerade Maria 2.0 Köln das immer wieder macht. Die finden immer wieder starke Bilder. Ich erinnere an das „Beichtmobil“ letztes Jahr. Sie standen vor dem Bischofssitz und hatten die hohen Herren zum „mütterlichen Beichten“ eingeladen. Das ist ein Bild, das im Kopf bliebt und viel mehr Wahrheit transportiert als 1000 Appelle, offene Briefe und Schreiben.

Humor ist dabei ein ganz wichtiger Aspekt. Humor heißt Feuchtigkeit. Das Wort ist verwandt mit dem Wort Humus. Humor ist etwas, dass uns das Erbarmen mit uns selbst zeigt. Und wenn wir über uns selbst lachen können, dann sind wir auch erbarmungsvoller mit anderen Menschen.

Maria 2.0: Wer aus der Kirche austritt, will vor allem die Institution Kirche nicht länger finanziell unterstützen. Das geht aus einer nicht repräsentativen Umfrage des SWR unter Ausgetretenen in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz hervor, die am Montag veröffentlicht wurde. Demnach war dieser Aspekt fast 90 Prozent der Teilnehmenden wichtig oder sehr wichtig für ihre Motivation zum Austritt. 4)
Frau Kötter, Sie sind selbst öffentlichkeitswirksam aus der Körperschaft der kath. Kirche ausgetreten. Hat das den Protest von Maria 2.0 gestärkt? Welche Wirkung hatte der Austritt? Wollten Sie ein Exempel statuieren?

Lisa Kötter: Es war eine sehr persönliche Entscheidung, die zum Teil auch politisch motiviert war. Ich kann keine Institution unterstützen, die Missbrauch schützt. Nachdem, was in den letzten 3,5 Jahren alles auf den Tisch gekommen ist, mit dem ganzen Wissen und den Fakten, ist die römisch-katholische Kirche nach meiner Einschätzung eine Täterorganisation. Die Entscheidung war in erster Linie eine Gewissensentscheidung. Ich würde mir niemals anmaßen zu sagen, dass ist der richtige Weg für alle – niemals.

Maria 2.0: Eine breite und offene Basisbewegung setzt sich laut „Kirche von unten dafür ein, von den Rändern und von den Ausgegrenzten her zu begreifen sowie die Gemeinden und Glaubenden darin zu unterstützen, selbst aktiv zu werden, Verantwortung als „Kirche vor Ort“ zu übernehmen und sich zu eigenem Handeln zu ermächtigen.“ 5)
Frau Kötter, welche Botschaft möchten Sie uns auf den Weg mitgeben?

Lisa Kötter: Die „Kirche der Menschen“ ist eine Gemeinschaft der Suchenden auf allen Ebenen. Wir brauchen keine Leute, die uns die Fragen fertig beantworten, sondern wir müssen selbst unsere Antworten finden. Wir werden auch jedes Jahrzehnt neue Fragen haben und neue Antworten darauf finden müssen. Und wenn wir uns das eingestehen und das auch auf Augenhöhe einfordern, auch gegenüber den Bistümern, diese Mitsprache, diese Demokratisierung, dann sind wir als Gemeinschaft auf einem guten Weg.

Maria 2.0: Danke für das Interview.



1) https://www.katholisch.de/artikel/41190-bischof-baetzing-bei-reformen-nicht-durch-blockierer-aufhalten-lassen

2) https://www.katholisch.de/artikel/41171-kirchenvolkskonferenz-in-koeln-fordert-reformen-in-der-kirche

3) https://www.katholisch.de/artikel/40581-maria-20-sperrt-koelner-generalvikariat-symbolisch-ab

4) https://www.katholisch.de/artikel/41160-umfrage-ausgetretene-wollen-kirche-vor-allem-geld-entziehen

5) https://www.kvk2022.de/KVK2022_Gemeinsames_Wort_20220924.pdf

btr